Rede von Prof. Holger Schulze zum Erlanger Haushalt 2025
Rede zur Verabschiedung des städtischen Haushalts 2025
von Holger Schulze (FDP-Stadtratsgruppe)
Es gilt das gesprochene Wort!
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen,
meine sehr geehrten Damen und Herren,
das Jahr 2024 war in vielerlei Hinsicht ein denkwürdiges, besonders geprägt vom Bürgerentscheid zur StUB und der dramatischen Entwicklung unserer Haushaltssituation. Es ist sicherlich trivial festzustellen, dass das nun begonnene Jahr 2025 noch deutlich herausfordernder werden dürfte als das vergangene, sehen wir uns doch nunmehr mit der Aufgabe konfrontiert, mit den Folgen dessen, was sich 2024 zugetragen hat, so umzugehen, dass wir als Stadt handlungs- und gestaltungsfähig bleiben, bzw. es wieder werden. Die Bewältigung der notwendigen und von der Regierung von Mittelfranken geforderten Konsolidierung des Erlanger Haushalts wird die prägende Aufgabe dieses Stadtrats für den Rest der laufenden Legislaturperiode sein, und dürfte darüber hinaus auch den nächsten Stadtrat noch auf Jahre hinaus beschäftigen.
Lassen Sie mich einen kurzen Blick zurück auf diese für die Stadt so einschneidenden Ereignisse 2024 werfen, ehe ich unsere Vorstellungen dazu, wie es nun weitergehen sollte, skizzieren möchte.
Am 9. Juni 2024, nach einem heftigen, kontrovers geführten und die Stadtgesellschaft spaltenden Wahlkampf, haben sich die Erlanger Bürgerinnen und Bürger mit knapper Mehrheit von 52,4% für den Bau der Stadt-Umland-Bahn entschieden. Selbstverständlich haben wir dieses Ergebnis anerkannt, wenngleich hinreichend bekannt ist, dass wir uns ein anderes Ergebnis erhofft hätten: Bereits vor dem Entscheid hatten wir unter anderem eindringlich auf die finanziellen Risiken eines Baus der StUB für den Erlanger Haushalt hingewiesen, also noch bevor die prekäre Finanzlage der Stadt, auf die ich gleich noch eingehen werde, überhaupt öffentlich bekannt wurde. In diesem Zusammenhang erinnere ich daran, dass bereits der Haushaltsentwurf für das Jahr 2024 im ersten Anlauf nicht von der Regierung von Mittelfranken genehmigt wurde und im März nachgebessert werden musste. Bereits zu diesem Zeitpunkt war klar, dass die mittelfristige Finanzplanung des Kämmerers für die Jahre 2024 bis 2027 von sehr hohen Finanzierungsmittelfehlbeträgen ausging, die sich auf eine Summe von rund 235 Millionen Euro summierten, obwohl damals noch von Gewerbesteuereinnahmen von 220 Millionen Euro ausgegangen wurde – eine Größenordnung, die ich bereits in meiner letzten Haushaltsrede in Frage gestellt hatte und damit leider Recht behalten habe. Als ich damals sagte, die Party sei vorbei, habe freilich auch ich mir noch nicht ausmalen können, wie ernst die Lage wird: Es wird nicht nur keine Partys mehr geben, auch das ganz alltägliche Leben wird, um im Bild zu bleiben, deutlich spürbare Einschränkungen hinnehmen müssen.
Bezeichnenderweise wurde nur wenige Tage nach dem Entscheid bekannt, dass Gewerbesteuerrückzahlungen, damals noch in Höhe von rund 50 Millionen Euro erwartet, auf uns zukommen würden. Das durfte einem dann schon etwas komisch vorkommen, und nicht nur wir haben uns gefragt, ob die Gefahr drohender Gewerbesteuerrückforderungen der Stadtspitze tatsächlich, wie OB und Kämmerer uns wiederholt versicherten, nicht bereits vor dem StUB-Entscheid bekannt waren. Das wäre ja durchaus auch ein für die Wahlentscheidung der Erlangerinnen und Erlanger möglicherweise nicht ganz unerheblicher Fakt gewesen! Ich unterstelle weder dem OB noch dem Kämmerer, uns und die Bevölkerung hier bewusst im Unklaren gelassen zu haben, aber natürlich fragen wir uns bis heute, ob die Stadtspitze, wenn sie es tatsächlich nicht wusste, nicht doch von den veränderten Sachlagen, die letztendlich zu dem dramatischen Rückgang der Gewerbesteuereinnahmen geführt haben, hätte wissen können und müssen! Ob die Kommunikation zwischen der Stadtspitze und den großen Gewerbesteuerzahlern hier vor Ort immer dem entsprach, was man erwarten sollte, darf zumindest bezweifelt werden und ich hoffe sehr, dass dies zeitnah aufgearbeitet und Wege gefunden werden, ein solches Desaster künftig zu vermeiden.
Denn es blieb ja nicht bei den 50 Millionen! Auch wenn dieser Fehlbetrag bereits ausreichte, den OB dazu zu veranlassen, bereits im Juli eine Haushaltssperre per Eilverfügung zu erlassen, was zweifellos bitternötig war, so sehen wir uns mittlerweile mit Gewerbesteuerrückzahlungen von insgesamt 173 Millionen Euro konfrontiert. Eine unvorstellbare Summe. Von den erwarteten 220 Millionen Euro Gewerbesteuereinnahmen für 2024, die zwischenzeitlich gar auf 244 Millionen anwuchsen, sind gerade einmal 71 Millionen geblieben. Dass das jeden Haushalt überfordert, versteht sich von selbst. Glaubten viele Anfang 2024 noch – und ich nehme uns da ausdrücklich aus – dass Erlangen eine reiche Stadt sei, die sich schier alles leisten könne, so sind nun alle eines Besseren belehrt, auch wenn das manche hier im Stadtrat leider immer noch nicht einsehen wollen. Erlangen wurde von der finanziellen Vorzeigekommune zum nicht einzigen, aber größten Problemfall in Mittelfranken, wenn nicht ganz Bayern. Das, was wir noch auf der hohen Kante hatten, ist nun mit einem Schlag weg, wir stehen vor Neuverschuldungen ungeahnten Ausmaßes und sind weit davon entfernt, der Regierung von Mittelfranken in diesem Jahr einen genehmigungsfähigen Haushalt vorlegen zu können, und das trotz Haushaltssperre, Wiederbesetzungssperre, Budgetkürzungen in den Ämtern, Netto-Reduktion im Stellenplan, und schmerzhaften Einschnitten im Kultur- und Investitionsbereich, ich nenne hier beispielhaft nur das Fridericianum!
Faktisch wird es in diesem Jahr im Wesentlichen darum gehen, wie wir noch unsere Pflichtaufgaben werden erfüllen können. Spielraum für neue Ideen zur Gestaltung unserer Stadt, und seien sie noch so gut, dürfte es kaum geben, wenn es uns nicht gelingt, den Haushalt fundamental zu konsolidieren. Die entscheidenden Fragen, vor denen wir alle stehen, sind also zum einen, wie können wir Ausgaben der Stadt noch weiter reduzieren, und zum anderen, wie können wir die Einnahmesituation der Stadt wieder verbessern.
Denn das Ziel muss ja sein, wieder einen Zustand zu erreichen, wie er von der bayerischen Gemeindeordnung gefordert wird. In Artikel 61 Absatz 1 lesen wir dort:
„Die Gemeinde hat ihre Haushaltswirtschaft so zu planen und zu führen, daß die stetige Erfüllung ihrer Aufgaben gesichert ist. Die dauernde Leistungsfähigkeit der Gemeinde ist sicherzustellen, eine Überschuldung ist zu vermeiden.“
Das ist aktuell - ganz offensichtlich - nicht der Fall.
Der aktualisierte Haushaltsentwurf des Kämmerers sieht einen Jahresfehlbetrag von bis zu rund 86 ½ Millionen Euro vor, etwas weniger wurde gerade beschlossen. Unsere Liquidität ist von knapp 124 Millionen Euro Anfang 2024 auf aktuell minus 50 Millionen gefallen und der Kämmerer schätzt, dass dieser Liquiditätsfehlbetrag bis zum Ende des Jahres auf 127 Millionen Euro weiter steigt, die dann durch vergleichsweise teure, also höher zu verzinsende Kassenkredite zu decken wären. Hinzu kommen neue reguläre Kreditaufnahmen und Umschuldungen in Höhe von fast 54 Millionen Euro. Und selbst diese Zahlen halten wir noch für zu optimistisch, da der Kämmerer, obwohl er das selbst anzweifelt, noch immer mit Gewerbesteuereinnahmen von 120 Millionen Euro für das Jahr 2025 rechnet – bei allem, was wir im letzten Jahr erlebt haben, ein zusätzliches Risiko für diesen Haushalt. Die pro-Kopf Neuverschuldung, die den Erlanger Bürgerinnen und Bürgern durch die Stadt aufgelastet werden, wird also in diesem Jahr deutlich höher ausfallen als das, was der Bund uns bislang zugemutet hat – wobei man befürchten muss, dass der Bund hier nach der anstehenden Bundestagswahl aufholen dürfte… Allein die hierfür aufzubringenden Zinszahlungen werden unsere Investitionsspielräume auf Jahre hinaus einschränken. Die Zeche zahlen nicht wir, sondern diejenigen, die uns nachfolgen.
Wir sehen deutlich, wir leben über unsere Verhältnisse, werden Mühe haben, unsere Pflichtaufgaben zu erfüllen und haben eigentlich keine Spielräume mehr für all die dringend benötigten Investitionen in Schulen, die Hauptfeuerwache, Brücken, das Museumsquartier oder den Zollhausplatz – die Liste ließe sich fortsetzen. Hier rächt sich nun, dass wir in den zurückliegenden fetten Jahren zu oft das Wünschenswerte dem Notwendigen vorgezogen haben.
Ich komme damit also, nach dieser ernüchternden Bestandsaufnahme, zu unseren Vorstellungen, wie es mit der Stadt und ihrem Haushalt künftig weitergehen kann. Vor dem Hintergrund des bislang Gesagten macht es dabei in diesem Jahr wenig Sinn, sich einzelne Investitionen, Maßnahmen oder Zuschüsse herauszupicken und konkrete Zahlen zu nennen, wie wir das in früheren Jahren oft getan haben, vielmehr möchte ich einige unserer grundlegenden Überlegungen mit Ihnen teilen.
Beginnen möchte ich mit einem Thema, dass hier in Erlangen immer einen ganz besonderen Stellenwert hat, dem Klimaschutz. Wenngleich hier viele Maßnahmen und Förderprogramme auf Grund der Haushaltslage ohnehin ausgesetzt sind, so sollten wir diese Situation dennoch einmal zum Anlass nehmen, und eine Bilanz dessen ziehen, was bisher mit den eingesetzten Mitteln erreicht wurde, um abschätzen zu können, ob wir hier auf dem richtigen Weg waren oder ob es einer Korrektur bedarf, sollten sich die entsprechenden finanziellen Freiräume künftig wieder ergeben.
Das vom Stadtrat selbstgesteckte Ziel eines Erreichens des 1,5-Grad-Ziels bis 2030 ist bereits verfehlt: Die Menge an CO2, die beispielsweise die städtischen Gebäude – um einen Bereich zu nennen, den wir als Stadtrat tatsächlich auch direkt beeinflussen können – bis dahin noch hätten ausstoßen dürfen, wurde im Jahr 2023 bereits überschritten[1]. Wir haben also in einer Zeit, in der wir zumindest noch glaubten, über reichlich finanzielle Mittel zu verfügen, nicht nur die selbstgesteckten Ziele nicht erreicht, wir haben sie weit verfehlt! Tatsächlich ist uns mittlerweile allen bewusst, so sagt es ja auch der OB, dass wir das 1,5-Grad-Ziel in Erlangen verfehlen werden, und zwar unabhängig davon, welche Jahreszahl wir für dieses Ziel einmal beschlossen haben. Beschließen kann man ja bekanntlich alles, auch das nicht Machbare.
Dieser Befund ist umso ernüchternder, als dies offensichtlich nicht nur für Erlangen mit seinen vorbildlichen Klimazielen gilt, sondern leider für den ganzen Globus. Laut Berichten der Vereinten Nationen hat, ich zitiere: „die Konzentration klimaschädlicher Treibhausgase in der Atmosphäre im Jahr 2023 Höchstwerte erreicht[2]. Den Daten zufolge stieg die Konzentration des weitaus häufigsten Treibhausgases Kohlendioxid (CO2) in der Atmosphäre vergangenes Jahr um 2,3 auf 420 ppm (parts per million - Teilchen pro Millionen Teilchen). Das entspreche 151 Prozent des Niveaus vor der Industrialisierung - um das Jahr 1750.“ Für andere Treibhausgase wie Methan sieht es nicht besser aus. Dennoch konnte sich die Weltgemeinschaft auf der letzten Klimakonferenz in Baku nicht auf weitere Schritte zur Senkung der klimaschädlichen Treibhausgase einigen[3]. Die Verhandlungen dort sind gescheitert, in dem Jahr, in dem die globale Erderwärmung erstmals über 1,5 – nämlich bei 1,6 Grad Celsius lag.
Was heißt das alles nun für uns hier in Erlangen? Für mich ergibt sich daraus die ernüchternde Erkenntnis, dass der Klimawandel, der ja längst begonnen hat, sicher stattfinden wird. Ein Ignorieren dieser Erkenntnis, weil nicht sein kann was nicht sein darf, können wir uns nicht mehr leisten. Wenn selbst eine ehemals reiche Stadt wie Erlangen nur in der Lage war, die selbstgesteckten Ziele unter Aufbringung großer finanzieller Mittel nur ein bisschen weniger stark zu verfehlen, aber eben dennoch deutlich zu verfehlen, dann kann es in diesem Bereich kein „weiter so“ geben. Vielmehr müssen wir uns in Zukunft mehr darauf konzentrieren, die Mittel, die wir einsetzen können, viel stärker in Klimaanpassungsmaßnahmen zu stecken, um unsere Bevölkerung zu schützen, als wir das in der Vergangenheit getan haben. Das sagt im Übrigen auch Thomas Jung vom Alfred-Wegener-Institut[4]. Dem NDR sagte er: „Das Klima hat sich gewandelt, und selbst wenn wir jetzt die Notbremse ziehen,werden wir weiterhin in einer wärmeren Welt leben. Das heißt, wir müssen uns anpassen an die sich häufenden Extremereignisse.“ Und verstehen Sie mich nicht falsch, ich bin keineswegs gegen sinnvolle Sanierungsmaßnahmen oder Investitionen in Infrastruktur wie die z.B. Wärmenetze, denn diese wären auch völlig unabhängig vom Klimawandel sinnvoll. Aber der Schutz unserer Bevölkerung vor dem, was da kommt, muss hier künftig den Vorrang haben, also etwa Maßnahmen zum Hitzeschutz in der Innenstadt, Hochwasserschutz, Starkregen, etc.
Mit Blick auf den Haushalt wird seitens der Grünen und anderer in diesem Zusammenhang immer das Argument ins Feld geführt, dass der Klimaschutz, den wir heute nicht machen, zu noch weit höheren Folgekosten in der Zukunft führen würde, etwa durch Flut- oder Waldbrandschäden. Das Argument ist natürlich völlig richtig, allerdings nur auf einer globalen Betrachtungsebene. Wir hier in Erlangen können uns leider nicht entscheiden, ob wir heute in Klimaschutz investieren wollen, um später unsere Folgekosten des Klimawandels abzumildern, denn wie ich oben bereits ausgeführt haben, unternimmt die Welt die Schritte nicht, die den Klimawandel stoppen könnten. Dann höre ich als nächstes Argument, dass wir eben mit gutem Beispiel vorangehen müssen, um der Welt zu zeigen, dass es möglich ist, Klimaschutz und wirtschaftlichen Aufschwung zu vereinen. Und wenn wir das nur täten, würden die anderen uns schon folgen. Auch hier ist leider das Gegenteil der Fall: Wir – und jetzt spreche ich von Deutschland – zeigen der Welt gerade, wie es eben nicht geht: Unsere Wirtschaft ist dank einer völlig verfehlten Energiepolitik im Abschwung, Unternehmen verlassen das Land, die Deindustrialisierung ist in vollem Gange, und bei jeder Dunkelflaute wie jüngst im vergangenen Dezember ziehen wir uns den Zorn unserer Nachbarn wie der Schweden zu, die dann mit den von uns verursachten exorbitanten Stromkosten umzugehen haben.
Meine Damen und Herren, wir müssen uns hier endlich ehrlich machen und sehen, welche Wahl wir als Stadt Erlangen wirklich haben: Größtmögliche Summen in den Klimaschutz stecken, in jede noch so abwegige Idee, nur weil sie dem Klima vielleicht dienen könnte, um am Ende deutlich weniger Mittel zur Bewältigung der Folgen des Klimawandels übrig zu haben, oder gleich verstärkt in die Klimaanpassung investieren. Die Folgekosten des Klimawandels können wir hier vor Ort nicht beeinflussen, die kommen in jedem Fall auf uns zu.
Und wenn wir Maßnahmen ergreifen, dann müssen wir das möglichst kreativ tun. Ich erinnere in diesem Zusammenhang daran, dass das Klimamobil, das inzwischen im Einsatz ist, ursprünglich meine Idee war, die daraus entstand, dass uns die Verwaltung ein Klimabüro zur Beratung der Bürger z.B. in Sanierungsfragen abringen wollte, für das eine Immobilie hätte angemietet werden müssen, was neue sehr hohe laufende Kosten verursacht hätte. Das Klimamobil leistet denselben Zweck auch, sogar viel besser, weil es die Bürger an verschiedenen Standorten vor Ort erreichen kann, und ist zudem viel billiger. So müssen wir künftig denken, wie erreichen wir Ziele bestmöglich und mit geringstmöglichen Kosten!
Wenn ich das alles heute so deutlich formuliere, dann ist mir natürlich klar, dass das auf viele von Ihnen sehr polarisierend wirkt. Deshalb möchte ich, ehe nun wieder reflexartige Vorwürfe, man sei ein Klimaleugner – was ich ja offenkundig nicht bin, da ich den Klimawandel für unausweichlich halte – oder man sei unethisch, noch ein paar Metagedanken mit Ihnen teilen zu der Motivation, warum wir diese Haltung vertreten und viele hier im Saal sicher eine ganz andere.
Was wir hier im Grunde erleben ist der alte Gegensatz zwischen Gesinnungsethik und Verantwortungsethik, wie ihn Max Weber in seinem berühmten Vortrag „Politik als Beruf“ im Jahre 1919 dargelegt hat. Ich zitiere aus seinem Vortrag: „Wir müssen uns klarmachen, daß alles ethisch orientierte Handeln unter zwei voneinander grundverschiedenen, unaustragbar gegensätzlichen Maximen stehen kann: es kann ‚gesinnungsethisch‘ oder ‚verantwortungsethisch‘ orientiert sein. Nicht daß Gesinnungsethik mit Verantwortungslosigkeit und Verantwortungsethik mit Gesinnungslosigkeit identisch wäre. Davon ist natürlich keine Rede. Aber es ist ein abgrundtiefer Gegensatz, ob man unter der gesinnungsethischen Maxime handelt […] oder unter der verantwortungsethischen: daß man für die (voraussehbaren) Folgen seines Handelns aufzukommen hat. […] Wenn die Folgen einer aus reiner Gesinnung fließenden Handlung üble sind, so gilt [dem Gesinnungsethiker] nicht der Handelnde, sondern die Welt dafür verantwortlich, die Dummheit der anderen Menschen oder – der Wille des Gottes, der sie so schuf. Der Verantwortungsethiker dagegen rechnet mit eben jenen durchschnittlichen Defekten der Menschen, – er hat […] gar kein Recht, ihre Güte und Vollkommenheit vorauszusetzen. […] , an diesem Problem der Heiligung der Mittel durch den Zweck, scheint nun auch die Gesinnungsethik überhaupt scheitern zu müssen. […] Der Gesinnungsethiker erträgt die ethische Irrationalität der Welt nicht.“ Soweit Max Weber.
Sie werden erkannt haben, dass ich der Verantwortungsethik zuneige, daher will ich es nochmal mit meinen eigenen Worten zusammenfassen: Es reicht nicht mehr, das Richtige zu tun, wir müssen künftig endlich auch darauf achten, dass auch das Richtige dabei herauskommt. Wir hoffen, dass das Haushaltskonsolidierungskonzept, das nun zu erarbeiten ist, diesem Grundsatz folgen wird!
Mit diesem Gedanken im Hinterkopf möchte ich mich einem weiteren Thema zuwenden, und zwar Subventionen. Auch hier war die Stadt in der Vergangenheit sehr großzügig, denken wir z.B. an das Programm zur Förderung energetischer Sanierung von Wohngebäuden, schallisolierten Fenstern zum Lärmschutz oder der Anschaffung von Lastenrädern. Auch diese Programme sind aktuell ausgesetzt, auch hier gibt uns das die Gelegenheit, zu überlegen, wie wir künftig damit umgehen wollen. Für uns gilt zunächst einmal der Grundsatz, dass die Stadt Erlangen keine Maßnahmen subventionieren sollte, die bereits von anderer Seite, Bund oder Land etwa, subventioniert werden. Das Programm zur energetischen Sanierung von Wohngebäuden ist hier ein gutes Beispiel. Hier gab es erhebliche Förderprogramme vom Bund, aber Erlangen hat den sanierwilligen Immobilieneigentümern nochmal eine Schippe draufgelegt.
Nun ist so eine Förderung zunächst einmal grundsätzlich eine Umverteilung von Mitteln von unten nach oben, da Mittel der Allgemeinheit dazu genutzt werden, den Wert privaten Immobilieneigentums zu steigern. Da der durchschnittliche Immobilieneigentümer in Erlangen vermutlich eher nicht unteren Einkommensgruppen angehören dürfte, sind solche Maßnahmen auch prinzipiell unsozial und bedürfen daher einer besonderen Rechtfertigung. Diese Rechtfertigung ist die Lenkungswirkung zur Erreichung eines höheren Ziels, in diesem Fall CO2-Einsparung. Da die bestehende Förderung vom Bund indes viel höher war als die der Stadt Erlangen, darf diese Lenkungswirkung bezweifelt werden. Und meine Damen und Herren, für Mitnahmeeffekte sollten wir wirklich keine Mittel mehr aufbringen, ganz unabhängig von der jeweiligen Haushaltslage! Auch hier gilt es also, verantwortungsethisch zu handeln: wir dürfen nicht nur bewerten, ob eine Maßnahme gut und sinnvoll erscheint, wir müssen bewerten, ob es die Ergebnisse der Maßnahme sind.
Nach diesen sehr grundsätzlichen Überlegungen komme ich zurück zur nötigen Haushaltskonsolidierung. Hier sind bereits alle Investitionsmaßnahmen ausgesetzt worden, die noch nicht begonnen wurden. Besonders tragisch ist in diesem Zusammenhang, dass im Gegensatz zum Emmy-Noether-Gymnasium, dessen Erweiterung mit einem neuen naturwissenschaftlichen Trakt im letzten Haushalt auf unseren Antrag hin noch in die Liste der Investitionen aufgenommen werden konnte und nun weitergeplant und umgesetzt werden kann, das Fridericianum wieder einmal hinten runterfällt. Das ist ein völlig unhaltbarer Zustand, denn es geht hier gerade beim Chemie- und Physikunterricht neben der Erfüllung des Lehrplans auch um Sicherheitsfragen. Allein schon deshalb müssen wir alles tun, um wieder handlungsfähig zu werden, und der erste Euro, den wir wieder für neue Investitionen ausgeben dürfen, muss ins Fridericianum fließen, auch wenn wir wissen, dass es noch ganz viele andere Investitionen gibt, die dringend umzusetzen sind, ich erinnere nochmals an die Hauptfeuerwache oder Brückensanierungen.
Eine Möglichkeit zur Verbesserung der Einnahmenseite ist die Neuansiedlung von Gewerbe, und ich begrüße ausdrücklich, dass der OB sich bereits hierzu geäußert hat. Neben der Schaffung der Voraussetzungen zur Neuansiedlung von Gewerbe ist es aber ebenso wichtig zu verhindern, dass Teile unserer Gewerbetreibenden abwandern, und das gilt sowohl für den kleinen mittelständischen Betrieb wie für unsere großen Konzerne. Hier stehen wir im Wettbewerb mit unseren Nachbarkommunen, und ich warne eindringlich davor, dem nachzugeben was mit Sicherheit gleich von der Linken gefordert werden wird, nämlich eine Anhebung der Gewerbe- und / oder Grundsteuer. Natürlich hätte das kurzfristig den Effekt höherer Einnahmen, mittel- bis langfristig aber würde sich die Einnahmesituation auf Grund von Abwanderung verschlechtern, und wer das nicht glaubt, der werfe einen Blick nach Forchheim oder Röttenbach. Wir sind der Überzeugung, nur durch einen attraktiven Standort – und da sind vergleichsweise niedrige Steuern ein wichtiger Faktor – können wir mehr Gewerbe nach Erlangen holen und in Erlangen halten, um so mittel- und langfristig höhere Gewerbesteuereinnahmen zu erzielen. Der OB sagte unlängst in einem Interview, Erlangen stünde nicht vor einem strukturellen Problem unserer Wirtschaft. Wir müssen dafür sorgen, dass das auch so bleibt!
Die Frage, wie wir dabei das Verhältnis der wenigen Flächen, die wir in Erlangen noch zur Verfügung haben, zwischen Gewerbe und Wohnen austarieren, wird uns intensiv zu beschäftigen haben.
Ein anderer Faktor, der den Standort attraktiv macht, ist die Anziehungskraft unserer Innenstadt. Hier sehen wir jeden Tag die Probleme des Einzelhandels, teilweise mit Geschäftsaufgaben, auch aber nicht nur wegen des immer stärker zunehmenden Onlinehandels. Auch hier müssen wir uns ehrlich machen und uns eingestehen, dass die Zeiten, in denen allein die Attraktivität einer Vielzahl von Geschäften ausreichte, Menschen in die Innenstadt zu locken, vorbei sind. Im Zusammenhang mit der Diskussion um den Masterplan Innenstadt haben wir ja bereits darauf hingewiesen, dass wir alle gemeinsam die Frage beantworten müssen, was Menschen künftig noch dazu veranlasst, in die Innenstadt zu fahren. Als Lars Kittel noch Stadtrat war, hatten wir vorgeschlagen, den Fokus auf die Bereiche Gesundheit, Sport und Kulinarik zu legen, aber das muss hier nicht das letzte Wort sein und war auch nie so gedacht. Vielmehr glauben wir ganz grundsätzlich, dass wir für unsere Stadt so etwas wie eine Marke schaffen müssen, etwas, bei dem die Leute wissen, was sie bekommen, wenn sie nach Erlangen reisen und es deswegen auch tun. Das können verschiedene Freizeitangebote sein, wie auch die genannten, aber in jedem Fall muss die Wirkung eine Belebung der Innenstadt sein, welche dann auch wieder dem Einzelhandel zugutekommen würde. Lassen Sie uns daher die Diskussion um den Masterplan Innenstadt wieder gemeinsam aufgreifen und intensivieren!
Im letzten Teil meiner Ausführungen möchte ich nun noch auf Einsparmöglichkeiten zu sprechen kommen. Selbstverständlich kann man nicht über den Erlanger Haushalt sprechen, ohne einen Blick in den Stellenplan zu werfen. Hier haben wir den drastischen Aufwuchs, den wir in den letzten Jahren in jedem neuen Haushalt gesehen haben, ja immer scharf kritisiert. Inzwischen binden die Personalkosten rund ein Drittel unseres Haushalts. Wenn Sie sich erinnern, Herr Oberbürgermeister, hatten wir dem letzten Haushalt unter anderem deshalb seit langem mal wieder zugestimmt, weil wir darauf vertraut hatten – Ihnen vertraut hatten -, dass es hier zu einem Umdenken kommt. Tatsächlich ist es nun zu einem Umlenken gekommen, wenn freilich abzuwarten bleibt, ob damit auch ein Umdenken verbunden ist. Ich fürchte, wäre die Haushaltslage nicht wie sie ist, würden wir auch in diesem Jahr wieder deutliche Zuwächse im Stellenplan sehen. Dass die Wirklichkeit hier nun die Richtung vorgibt und wir erstmals, seit ich diese Dinge verfolge, zu einem Netto-Negativstellenplan gekommen sind, ist gut und wichtig. Wir denken allerdings nicht, dass hier schon das Ende der Konsolidierung erreicht ist: In dem Maße, wie die Stadt künftig Maßnahmen und Dienstleistungen zurückfährt, welche nicht zwingend vom Gesetzgeber gefordert sind, in diesem Maße werden auch die Notwendigkeiten zur Besetzung so mancher Stelle entfallen. Hinzu kommen die künftigen Möglichkeiten des Bürokratieabbaus und der künstlichen Intelligenz, die weitere Stelleneinsparungen ermöglichen werden. Hier müssen alle Bereiche auf den Prüfstand. Wir sehen hier die Chance zu einer echten Gesundung des Haushalts in diesem Bereich.
Und natürlich muss ich auch noch ein kurzes Wort zur StUB sagen, wenn wir über mögliche Einsparpotentiale sprechen. Selbstverständlich stellen wir aus Respekt vor dem Wähler das Projekt nicht mehr gänzlich in Frage, aber die Frage ob, wenn in allen Bereichen inklusive der Schulen, der Kultur und der Feuerwehr so massiv gespart wird, ausgerechnet der Planungs- und Baufortschritt der StUB in unvermindertem Tempo fortgesetzt werden darf, musste schon erlaubt sein. Hier hatten wir ja eine Kürzung der Mittel für 2025 beantragt, das wurde zwar abgelehnt, aber nun wurden die Mittel teilweise doch deutlich in Folgejahre verschoben. Aus unserer Sicht ein wichtiges Signal.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich hoffe, ich konnte deutlich machen, wie unsere Sicht auf die Lage ist und für wie dramatisch wir sie halten. Wir halten die Situation dennoch nicht für aussichtslos, denn wenn es so wäre, wären wir hier falsch am Platz. Wir sind aber sicher, dass es ganz besonderer Anstrengungen bedarf, um Erlangen finanziell wieder in solide Gewässer zu steuern. Dieser Weg wird lang sein, uns über viele Jahre beschäftigen und nur gelingen, wenn wir ohne ideologische Scheuklappen, pragmatisch, ergebnisorientiert und im konstruktiven Diskurs miteinander die besten Ideen verhandeln, zum Wohle dieser Stadt. Wir sind zu dieser konstruktiven Mitarbeit bereit.
Der vorliegende Haushalt ist allerdings aus den genannten Gründen nicht genehmigungs- und damit für uns auch nicht zustimmungsfähig. Wir hoffen aber, dass wir demnächst über ein Konsolidierungskonzept für den Haushalt beraten werden, das wir dann im Sinne einer pragmatischen Verantwortungsethik als zustimmungswürdig erachten können!
Ich danke der gesamten Verwaltung und besonders unseren Freunden von den Freien Wählern für die stets gute und vertrauensvolle Zusammenarbeit, und Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit!
[1] BWA vom 15.10.2024, Ö17
[2] https://www.tagesschau.de/ausland/europa/un-bericht-treibhausgase-100.html
[3] https://www.tagesschau.de/wissen/klima/klimakonferenz/beschluesse-baku-100.html
[4] https://www.ndr.de/nachrichten/niedersachsen/Klimaforscher-warnt-Wir-muessen-uns-an-die-Erderwaermung-anpassen,jung390.html